Tagung: „Verführende Räume: Funktionen und Wirkmechanismen von multisensorischen Bild-Raum-Ensembles (16.–21. Jh.)“
Verführende Räume: Funktionen und Wirkmechanismen von multisensorischen Bild-Raum-Ensembles (16.–21. Jh.)
Internationale Tagung
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2.–3.6.2025
Ort: Kreuz + Quer – Haus der Kirche Erlangen, Bohlenplatz 1, 91054 Erlangen
Um Anmeldung wird gebeten (maren.manzl@fau.de).
Während das Bild uns zweidimensional entgegentritt, umschließt uns der Raum von allen Seiten. Mit allen Sinnen sind wir in das Raumerleben einbezogen, so dass Faktoren wie Farben und Formen, Texturen, Beleuchtung, Temperatur, Musik, Geräusche und Gerüche entscheidend zur Raumwirkung beitragen. Seit Beginn der Frühen Neuzeit lässt sich eine zunehmend stärkere Tendenz konstatieren, nicht nur sakrale, sondern auch profane Räume mit ortsfesten Bilder- und Skulpturenprogrammen sowie ephemeren Interventionen aufzuladen (z. B. Musik, Theater, Ballett). Dabei wurden oft religiöse oder politische Botschaften kommuniziert, um das Publikum zu bestimmten Ansichten oder Handlungen zu (ver-)führen.
In der Gegenwart besitzen Bild-Raum-Ensembles sowohl in den Künsten als auch in der politischen Arena nicht nur besondere Prominenz, sondern auch wachsende Brisanz. Ein Beispiel vom jüngsten AfD-Parteitag in Riesa: „Alice Weidel steht auf der Bühne, blauer Hintergrund, umgeben von 16 Deutschland-Fahnen. Sie breitet die Arme aus, schaut in die Menge, diese verstummt. „Schwarz-rot-gold, liebe Freunde. Schwarz-rot-gold“, sagt sie. Mehr nicht. Die AfD-Mitglieder jubeln. Es ist ein Auftritt, so raumgreifend, wie man ihn bisher noch nicht von ihr gesehen hat.“ (https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-parteitag-324.html)
Durch die Aufstellung weniger Requisiten ist aus einer normalen Versammlungshalle ein „verführender Raum“ geworden, der die Delegierten zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Einmal mehr unterstreicht diese Inszenierung das große affektive Potential solcher Ensembles: Die Aufladung von Räumen mit bildmächtigen Zeichen (in diesem Fall Fahnen) konditioniert das Verhalten der Personen, die in diesen Räumen interagieren.
Die internationale Tagung „Verführende Räume“ befasst sich mit multisensorischen Bild-Raum-Ensembles in diachroner Perspektive, um durch die Untersuchung historischer und moderner Ensembles die Werkzeuge für die kritische Analyse aktueller Rauminszenierungen zu schärfen. Dabei werden insbesondere auch Kunst im öffentlichen Raum und die Wirkungsdimensionen virtueller Räume im Fokus stehen.
Virtuelle Räume können durch den Einsatz von generativer KI, wie aktuell das Beispiel von „Sora“ zeigt, künftig viel einfacher selbst gestaltet werden als bisher. Daher werden wir immer öfter mit Bild-Raum-Ensembles konfrontiert sein, bei denen es uns schwerfällt, Realität und Täuschung voneinander zu unterscheiden. Bewusst manipulativ gestaltete Ensembles können hohe politische und gesellschaftliche Sprengkraft entwickeln. Folglich besteht eine zentrale aktuelle Herausforderung darin, die Wirkmechanismen solcher Ensembles offenzulegen.
Montag, 2.6.2025
9.15 h | Eintreffen und Begrüßung der Teilnehmenden
9.30 h | Prof. Dr. Christina Strunck (FAU Erlangen-Nürnberg, Institut für Kunstgeschichte)
Die Höhle als multisensorischer Raum der Erkenntnis
Sektion 1: Sakrale Räume
Moderation: Prof. Dr. Manuel Teget-Welz (FAU Erlangen-Nürnberg, Institut für Kunstgeschichte)
10.00 h | PD Dr. Thomas Schauerte (Direktor Museen der Stadt Aschaffenburg)
Der immersive Raum. Egid Quirin Asams Münchner Johannes-Nepomuk-Kirche (1733–1750)
10.30 h | Kaffeepause
11.00 h | Dr. Angelika Dreyer (Bayerische Akademie der Wissenschaften, Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland)
Das Ende der Verführung? Bild-Räume als Bildungsräume
11.30 h | Pfarrer Thomas Zeitler (ehem. Kulturkirche St. Egidien Nürnberg)
Schwule Phantome. Verführungen zur Kunstarbeit im Kirchenraum zwischen Körperlichkeit und Digitalität
12.00 h | Mittagspause
Sektion 2: Genussräume
Moderation: Prof. Dr. Anja Zimmermann (FAU Erlangen-Nürnberg, Institut für Kunstgeschichte)
14.00 h | Prof. Dr. Bettina Brandl-Risi und Prof. Dr. Clemens Risi (FAU Erlangen-Nürnberg, Institut für Theater- und Medienwissenschaft)
Das Bayreuther Festspielhaus und die Pariser Opéra Garnier. Opernhäuser als Wahrnehmungsanordnungen und Handlungsspielräume
14.30 h | Christina Clausen M. A. (Technische Universität Darmstadt, Fachgebiet Architektur- und Kunstgeschichte)
„Jape im Warenhaus“ von Vicki Baum (1928) und das gebrochene Versprechen der Teilhabe in der Weimarer Republik
15.00 h | Kaffeepause
15.30 h | Prof. Dr. Christian Janecke (Hochschule für Gestaltung Offenbach)
Duftende Bouquets, köchelnder Reis, eiserne Zitronen. Über das Stillleben als Installation
16.15 h im Kunstpalais
Amely Deiss (Leiterin Kunstpalais und Städtische Sammlung Erlangen)
Multiple Damen in Wohnzimmern und Sportler auf Kunst.
Rundgang durch die Ausstellungen „Zohar Fraiman. You-Phoria“ und „ganz konkret 2“
Dienstag, 3.6.2025
Sektion 3: Klangräume
Moderation: PD Dr. Thomas Schauerte (Direktor Museen der Stadt Aschaffenburg)
9.30 h | PD Dr. Katja Triplett (Universität Leipzig, Religionswissenschaftliches Institut)
Klangräume in der frühneuzeitlichen Ostasienmission zwischen Verführung und experimenteller Offenheit
10.00 h | Dr. David Zagoury (Universität Freiburg (Schweiz), Departement für Kunstgeschichte und Archäologie)
„Tuon fatto fioco“. Zur Höhlenakustik der Camera dei Giganti im Palazzo Te
10.30 h | Kaffeepause
Sektion 4: Wissensräume
Moderation: Dr. Sarah Lynch (FAU Erlangen-Nürnberg, Institut für Kunstgeschichte)
11.00 h | Johanna Wurz M. A. (Transdisziplinäres Forschungszentrum für Ausstellungsstudien, Kassel)
Emotionen im musealen Raum. Ästhetische Vermittlungsstrategien im Ausstellungsdesign der 1960er und 70er Jahre am Beispiel des Nationalmuseums für Anthropologie in Mexico City
11.30 h | Prof. Dr. Ole W. Fischer (Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart)
Die Dramatisierung der Daten. Verführerische Raumprojektionen digital-narrativer Architektur
12.00 h | Madita Wierz M. A. (Hochschule Koblenz, Fachbereich b-k-w | Architektur)
Der digitale 3D-Raum Virtual Bauhaus (2018–2019) als Verführung zum Wissen
12.30 h | Mittagspause
Sektion 5: Politische Räume
Moderation: Dr. Anna Frasca-Rath (FAU Erlangen-Nürnberg, Institut für Kunstgeschichte)
14.30 h | Prof. Dr. Patrick Primavesi (Universität Leipzig, Institut für Theaterwissenschaft)
Raumvisionen im modernen Tanz und ihre Eskalation. Zur Eröffnung der Berliner Waldbühne und des Stadions für die Olympischen Spiele 1936
15.00 h | Wolfgang Brauneis M. A. (Kunsthistoriker und Kurator, Köln)
Werke „gottbegnadeter“ Künstler im städtischen Raum. NS-Kontinuitäten in der Nachkriegsmoderne
15.30 h | Kaffeepause
16.00 h | Prof. Dr. Katharina Gerund (Universität Zürich, English Department)
Das Footballstadion als militarisierter „verführender Raum“. Billy Lynn’s Long Halftime Walk
16.30 h | Ass.-Prof. Dr. Julia Rüdiger (Katholische Privat-Universität Linz, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur)
Rationalismus und Resonanz im Plenarsaal. Symptome (post-)moderner Inszenierungen von Demokratie
17.00 h | Abschlussdiskussion
Die Tagung will einen fachübergreifenden Dialog über diese Thematik eröffnen und wendet sich daher an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen, z. B. Computer Science, Digital Humanities, Filmwissenschaft, Fotografie, Kunstgeschichte, Geschichts-, Kultur-, Literatur-, Medien- und Musikwissenschaft, Raumsoziologie und Theaterwissenschaft. Erwünscht sind sowohl Fallstudien zu einzelnen Ensembles als auch vergleichend angelegte Analysen.
Bitte senden Sie Ihr Exposé (ca. eine Seite Text) mitsamt CV bis zum 25.2.25 an Prof. Dr. Christina Strunck (kunstgeschichte-kontakt@fau.de). Reise- und Unterbringungskosten werden von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg übernommen. Die Benachrichtigung der ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgt Mitte März.